Die Koketterie mit dem Volksaufstand

von FLORIAN PASTERNY

 

“Da muss doch jetzt mal etwas passieren.” - “Wir müssen die Regierung stürzen.” - “Wir müssen dies mit Waffengewalt umsetzen.” - “Außer uns macht doch niemand etwas.” Das und vieles andere liest man in Zeiten wie diesen immer mehr. Die Bereitschaft, auch in einer größeren Gesellschaftsschicht, anderen Widerstand zu leisten als argumentativen, ist größer denn je. Das hat alles eine neue Qualität erreicht, nicht erst seit den Ereignissen um diese wirre Terrorzelle um Reichsbürger und Juristen, die Deutschland gewaltsam stürzen und mit diesem Putsch die Demokratie ad absurdum führen wollten. Politische Auseinandersetzung auf einer theoretischen Ebene ist obsolet. Junge Menschen sind ein gutes Beispiel dafür, wie es laufen sollte. Sie stehen für etwas ein. Ob es das richtige Mittel ist, sich an Straßen zu kleben oder Bäume vor der Rodung zu besetzen, sei dahingestellt – aber das ist im Endeffekt, mit Ausnahmen, gewaltfreie und politische Auseinandersetzung mit dem Berliner und Länderestablishment. 

Die Festnahmen verschiedener Reichsbürger sind bereits ein paar Tage her. Bis in alle drei Gewalten erstreckt sich deren Radius. Erschreckende Erkenntnis der ermittelnden Behörden. Richter, Polizisten, ehemalige Abgeordnete – alles ist dabei. Es war ein geplanter Staatsstreich. Es war ein Putschversuch. Es war der Versuch, die Demokratie zu stürzen und aus diesem Land ein totalitäres, rechtsextremes und intolerantes Stückchen Erde zu machen.

 

Gut ist, dass die Ermittlungsbehörden hier durchgreifen und diesen Anschlag auf unsere Demokratie und Werte vereitelt haben. Schlecht ist, dass uns dieser Umstand, und die Reaktionen im Netz zeigen, dass die Schere immer weiter aufgeht und die Menschen immer weiter auseinandergetrieben werden.

 

Terror 2001, Irakkrieg 2003, Finanzkrise 2007, Flüchtlingskrise 2015, Covid-19 2020, Ukrainekrieg 2022, Inflation 2022 – diese Ereignisse haben die Gesellschaft gespaltet. Doch bis 2000 war der Widerstand stets politisch geprägt. Eine breite Masse ist derzeit bereit mit einem Volksaufstand zu kokettieren. Janine Wissler von der Linkspartei erklärte, dass die Festnahme “ein weiterer Beleg für die besorgniserregende Präsenz einer militanten, bewaffneten und international vernetzten rechte Szene”. “Die Bewaffnung der Betroffnen ist mehr als besorgniserregend, ebenso die Verbindungen in Bereiche des Militärs und der Polizei”, erklärte der Vizepräsident des Internationalen Auschwitz-Komitee Christoph Heubner.

 

Die politische Auseinandersetzung muss gestärkt werden. Menschen aus allen Richtungen müssen wieder ins Gespräch kommen und der politische Diskurs darf nicht einschlafen. Statt sich mit Waffen auszustatten und irgendwelchen Allmachtsmonarchiefantasien hinterher zulaufen wäre der Besuch einer Schule und gleichzeitigem Engagement auf argumentativer Ebene sinnvoller. Tretet in Parteien ein und setzt eure Wünsche um. Aber versucht nicht, eine gut funktionierende Demokratie in den Abgrund zu stürzen, nur weil ihr keine guten Motive habt. Denn Chaos und politischen Irrfahrten sind keine hehren Motive, sondern zeigen die Dünnhäutigkeit und Dummheit einiger geistiger Tiefflieger.

 

Florian Pasterny