von FLORIAN PASTERNY
Lange Zeit war es ruhig um den deutschen Regisseur Uwe Boll. 2016 hatte er sich aus dem Filmgeschäft zurückgezogen. Nun kommt er mit einem Paukenschlag zurück. Nicht weil der Film per se eine
Schockreaktion auslösen müsste, sondern weil der Oberbürgermeister einer kleinen Stadt diesen Film verhindern möchte. Mit fadenscheinigen Vorwürfen entzieht der Oberbürgermeister der Stadt Hanau
dem Film eine Daseinsberechtigung ohne den Film vorher gesehen zu haben.
Es ist wieder laut geworden um Uwe Boll. Jener Regisseur, der durch Videospielverfilmungen bekannt wurde und immer mehr an seinen Aufgaben gewachsen ist. Jener, der die schrecklichen Vorgänge in
Darfur öffentlich machte, jener der mit dem Film Siegburg die Geschichte eines realen Gefängnisdramas glaubhaft nacherzählte und jener Regisseur, der Gegner und Kritiker gerne einmal zum Boxkampf
herausfordert. Uwe Boll ist streitbar, ja. Uwe Boll darf man auch kritisieren. Aber man darf gewiss eines nicht: einen Film verbieten wollen, nur weil einem das Thema nicht gefällt. Und dies hat
OB Claus Kaminsky der Stadt Hanau versucht. Denn Uwe Boll möchte einen Film über die schreckliche und durch Rassismus geprägte Tat in 2020 in Hanau machen. Der Film befindet sich in der
Postproduktion und ist somit so gut wie fertig. Die Diskussionen darüber beginnen jetzt erst.
Die moralische und juristische Aufarbeitung versucht die Stadt Hanau mit dem Land seit Beginn durch Intransparenz und Vertuschung zu vermeiden.
Denn nun äußern sich OB Claus Kaminsky, die Familien der Opfer, der Magistrat und die Stadtverordnetenvorsteherin und die Fraktionen zu dem Vorhaben öffentlich und für jeden einsehbar. Da stellt sich dem geneigten Beobachter die erste Frage: Wieso öffentlich? Wieso wurde Uwe Boll nicht persönlich vorab über die kritische Sicht der Stadt informiert? Uwe Boll konnte nach Veröffentlichung des Briefes dem Oberbürgermeister direkt schreiben. Die Stadt Hanau hielt es allerdings nicht für angebracht, Zweifel im direkten Austausch zu vermitteln. Den offenen Brief stellen wir unter dem Artikel zur Verfügung. Kaminsky schreibt in seinem Brief: „Die pseudodokumentarische Ausrichtung kann nicht davon ablenken, dass es Ihnen hier allein darum geht, einen persönlichen Nutzen aus der öffentlichen Aufmerksamkeit zu ziehen (…). Unter dem Deckmäntelchen der Aufklärung und Kunst nutzen Sie das unbeschreibliche Leid der Opfer und ihrer Angehörigen, um Ihren Wunsch nach Publicity und die blutrünstige Sensationsgier Ihres Publikums zu befriedigen.“ Vorwürfe über Vorwürfe und das alles ohne den Film zu kennen. Anschuldigungen dieser Art ohne Kontakt zu Uwe Boll zu haben und nach seinen Beweggründen zu fragen sind unangebracht. Denn Uwe Boll geht es in diesem Film nicht um bloße Publicity und auch nicht um Sensationsgier. Ihm geht es um eine filmische und erzählerische Aufarbeitung der Tat. Die moralische und juristische Aufarbeitung versucht die Stadt Hanau mit dem Land seit Beginn durch Intransparenz und Vertuschung zu vermeiden. Uwe Boll habe auch bestürzt, dass sich die psychische Verfassung des offenbar geistig kranken Täters über Monate und Jahre hinweg ersichtlich weiter verschlimmerte, ohne dass eingegriffen wurde.
„Die Unverfrorenheit Ihres Vorgehens zeigt sich auch darin, dass Sie im Vorfeld keinen Kontakt zu den betroffenen Familien gesucht haben.“ – ein weiterer Auszug aus dem offenen Brief. Auch hier zeigt sich die unterlassene Selbstreflexion in diesem Fall. Denn Uwe Boll hat sehr wohl Kontakt aufgenommen. Und zwar mit der Bildungsinitiative Ferhat Unvar. Diese hat Abstand zum Projekt nehmen wollen. Aus Gründen die Pietät hat Uwe Boll es nicht weiter versucht.
Bemerkenswert ist, dass man Uwe Boll Selbstnutz vorwirft und wenige Tage vor der Oberbürgermeisterwahl in Hanau diesen Brief öffentlich macht. Politisches Kalkül in seiner schäbigsten und billigsten Art. Der Bürgermeister von Hanau stachelt in inakzeptabler Weise gegen Uwe Boll auf. Uwe Boll hat nicht vor das Andenken der Opfer von Hanau zu beschmutzen. Ganz im Gegenteil. Es gab ein Behördenversagen in mehrere Richtungen. Es gab und gibt rechten Terror. Denn diese Hanauer Tat ist nicht nur ein Tat, sondern auch ein politischer und behördlicher Skandal. So gehört dies auch behandelt. Auch mit einem Film. Auf die Kunstfreiheit und die beschämende Art des Oberbürgermeisters den Film verbieten lassen zu wollen, müssen wir nicht weiter eingehen. Da erklärt sich von selbst, dass man Werke wie Siegburg oder Ausschwitz von Uwe Boll, Der goldene Handschuh oder Aus dem Nichts von Fatih Akin oder auch Boston von und mit Mark Wahlberg weder verbieten darf noch sollte. Denn solche Filme sind wichtige Dokumentationen im Kampf gegen Terror, gegen Rechts oder auch gegen einzelne Irre.
Man kann Uwe Boll nicht vorwerfen, dass er Uwe Boll ist. Man muss auch endlich damit aufhören, dass Uwe Boll DER Trash-Regisseur ist. Eine fachliche und moralische Auseinandersetzung seiner Werke
konterkariert durch das Ressentiment, dass Uwe Boll noch immer hirnlose Action präsentiere. Denn sowohl Assault on Wall Street, als auch die Rampage-Trilogie sind natürlich actionbeladen und
teilweise sehr brutal. Aber es steckt auch eine eindeutige Message, eine gewaltige Gesellschaftskritik dahinter. Eine Sache kann man Uwe Boll vorwerfen: es ist noch zu früh. Eine vorab
juristische Aufklärung und ein anschließender Film wäre vielleicht die bessere Wahl gewesen. Aber wer bin ich, dass ich das beurteilen kann? Und wer ist Herr Kaminsky, dass er das beurteilen
darf?
Florian Pasterny