Der letzte Tag im Leben - Was würden Sie tun?

von FLORIAN PASTERNY

 

Gernot Fahl wollte selbstbestimmt sterben. Mit seinen 69 Jahren hat er sich mental vom Leben verabschiedet. In der Schweiz sollte es mit einem Cocktail beendet werden. Doch Gernot Fahl war zu schwach zum freiwilligen sterben. Sein letzter Traum, sein letzter Wille kann ihm nicht geschenkt werden - ein selbstbestimmter Tod in Würde und ohne Schmerzen. Welche Wünsche haben wir, wenn wir an unseren Tod denken? Welche Gespräche würden wir vorher noch führen wollen? Wem um Vergebung bitten und wem verzeihen wollen? Der letzte Tag im Leben - wie er wohl wäre?!

Es wäre unser letzter Tag auf Erden. In wenigen Stunden müssten wir sterben. Gezeichnet von Krankheit oder Gewissheit, den baldigen Tod zu erleben. Wen würden wir sprechen wollen? Wen noch einmal sehen und in die Arme schließen? Würden wir all jenen vergeben, die uns im Leben Leid zufügen konnten? Oder würden wir eine böse Botschaft hinterlassen? Macht der baldige Tod milde? Egoistisch? Einsam? Glücklich? Wir erwarten vom Tod unterschiedliche und gar mögliche, wie unmögliche Dinge. Schmerzfrei soll er vonstatten gehen, schnell soll er auch sein und warten darf er gerne noch ein wenig. Doch welche Erwartung haben wir an uns selbst? An die Menschen um uns herum? An die letzten Stunden vor dem Übergang?

Fragt man Menschen, was sie an ihrem letzten Tag machen würden, dann kommen unterschiedliche, selten philosophische, oft praktische Wünsche zum Vorschein. Martin würde: "vögeln bis sich die Balken biegen, dann eine fette Party feiern und dann nochmal vögeln, so what." Wieso auch nicht?! Sabine hingegen würde in Melancholie verfallen. "Eine Zigarette, ein letztes Bier und ein paar Tränen", so würden ihre letzten Stunden aussehen.

 

 

 

 

Dankbar für jene Momente sein

Ich würde mich mit Menschen versöhnen wollen, mit denen ich irgendwann mal im Streit war. Ich würde all jenen Menschen vergeben wollen, die um Verzeihung bitten. Ich würde gerne auf mein Leben zurück blicken und sagen: "verdammte hacke, so schlecht wars doch gar nicht", und laut loslachen. Vor allem lachen über die Fehler, die Macken und die peinlichen Momente die einen ausmachten. Lachen über die schönen Momente und Ereignisse des Lebens, dankbar für jene Menschen sein, die einen begleitet haben, die einen gefördert, gefordert und weiter gebracht haben. Dankbar für jene Momente sein, die einem so viel gegeben haben. Momente der Liebe, der Trauer, der Freundschaft und Momente des Glücks. Ich würde darüber nachdenken, ob es Dinge gibt, die ich der Welt hinterlasse, ob ich Menschen prägen oder Menschen glücklich machen konnte. Ich würde mir meine Fehler, falsche Entscheidungen und charakterliche Schwächen aufzeichnen und ein letztes mal um Verzeihung bitten, mich erklären wollen und mit einem Gefühl der Aufrichtigkeit von dieser Welt gehen.


In den letzten Stunden würde ich gerne eine Hand halten. Die Hand des Menschen, der mir zu diesem Zeitpunkt am meisten bedeutet. Ich würde sie streicheln, in die Augen des- oder derjenigen blicken und die Tränen übersehen wollen. Ich würde vielleicht einen kleinen Zugang zu Gott oder zu anderen spirituellen Dingen finden - vielleicht macht es dies einfacher. Ich würde mir noch einmal durchs Haar streicheln lassen, die Augen schließen und den bekannten Stimmen lieber Menschen lauschen. Ich möchte noch einmal sämtliche Emotionen durchleben in den letzten Stunden meines Lebens. Ich möchte mit den Menschen weinen, mit ihnen lachen, ihre Witze verstehen und ihre Wünsche nachvollziehen, ich möchte ihre Dankbarkeit für das Leben spüren, ihr Mitleid mir gegenüber konterkarieren und ganz vielleicht auch nochmal vögeln. Und ihr?

 

Florian Pasterny